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Blindenführhunde – ein Hundeleben lang für ihre Menschen

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    Blindenführhunde – ein Hundeleben lang für ihre Menschen

    Blindenführhunde – ein Hundeleben lang für ihre Menschen

    In Blindenführhundschulen oder bei dafür ausgebildeten Hundetrainern werden Blindenführhunde über die Dauer von ca. zwei Jahren darauf trainiert, die Augen ihres Menschen zu ersetzen, vorausschauend zu führen, Signale und Gefahren im täglichen Leben zu erkennen, zu deuten und zu umgehen.
    Hunde, die als Führhunde ausgebildet werden, müssen vor allem ein eher ruhiges Wesen besitzen, einen ausgeprägten will to please und eine gute Bindungs- und Arbeitsbereitschaft mitbringen.
    Daher findet man oft Schäferhunde, Pudel oder Retriever, die diese Eigenschaften in höherem Maße mitbringen als andere Hunde an der Seite ihrer blinden Menschen.

    Ein Leben lang begleiten und führen diese treuen Vierbeiner ihre blinden Herrchen und Frauchen, leben, spielen und arbeiten mit ihnen und sind ihnen eine unverzichtbare Hilfe im täglichen Leben.

    Ein Erfahrungsbericht:

    Meine Erfahrungen mit einem Blindenhund:

    Ich bin Caren Könneke, 41 Jahre alt und verheiratet.

    Bevor ich über die Erfahrungen mit meinem Blindenhund berichte, möchte ich mich vor allem bei Katja und ihren Freundinnen dafür bedanken, dass sie meiner lieben, früheren vierbeinigen Partnerin ein so schönes Rentendasein ermöglicht haben.

    Ich bin von Geburt an blind.
    Damit es mir dennoch möglich ist den einen oder anderen Weg zurück legen zu können, lernte ich, als ich 13 Jahre alt war, das Gehen mit dem Langstock. Ich war zu dieser Zeit an der Blindenstudienanstalt in Marburg, um dort mein Abitur zu machen.
    Wir waren von der achten Klasse an in Wohngruppen außerhalb der Schule untergebracht und mussten das Gehen mit dem Langstock lernen, um selbständig unsere Wege erledigen zu können. Es gab dort nur eine Kreuzung. Auch wenn sie nicht über akustische Ampeln verfügte, war das Gehen dort mehr oder weniger einfach.

    Ich fühlte mich also gut ausgerüstet, als ich nach dem Abitur in meine Heimatstadt Braunschweig zurück ging. Zunächst ging auch alles gut. Nach einiger Zeit musste ich jedoch feststellen, dass offenbar doch nicht immer alles so einfach ist. Hierfür zwei Beispiele:

    Ich besuchte eine Schule für Wirtschaftsassistenz und Fremdsprachenkorrespondenz. Als der Schultag beendet war, ging ich zur Bushaltestelle, um zu der Wohnung zu fahren, die ich mit meinem damaligen Freund und jetzigen Mann bewohnte. Als ich an die Haltestelle kam, fuhr der Bus gerade weg. Leider hatte ich ihn zu spät bemerkt, so dass ich nicht mehr schnell genug hätte hinter her laufen können. Der spätere Bus stand so ungünstig, dass ich ihn ebenfalls nicht bemerkte. Mit Hund wäre mir das nicht passiert. Er hätte den ersten Bus bemerkt und wäre schneller gegangen. Im anderen Fall hätte er mir den Bus angezeigt, so dass auch das kein Problem gewesen wäre.

    Sie wundern sich jetzt bestimmt, dass mir niemand geholfen hat. Ich hingegen finde das nicht weiter verwunderlich denn aus Erfahrung weiß ich, dass man verlassen ist, sobald man sich auf andere verlässt. Ein Führhundhalter hat es hierbei etwas einfacher, denn durch den Hund wird man öfter angesprochen. Der Hund dient in dem Fall als eine Art Brücke zwischen der sehenden Umwelt und uns, da es den Mitmenschen ansonsten oftmals recht schwer fällt uns anzusprechen. Einige trauen sich nicht, weil sie Angst vor der Reaktion unsererseits haben und andere haben mit Behinderungen generell Probleme, so dass sie "mit so etwas" von vorn herein nichts zu tun haben möchten.

    Bei einer anderen Gelegenheit fiel ich in eine Baugrube, die lediglich durch Barken gesichert war. Der Stock passte genau zwischen zwei dieser Barken hindurch, so dass ich sie nicht als Hindernis wahrnahm. Der Sturz hätte durch einen Hund vermieden werden können, da er ein solches Hindernis auf jeden Fall wahrgenommen hätte.

    So ließe sich die Reihe fortsetzen.
    Wir zogen dann in einen anderen Stadtteil. Unsere Probleme verringerten sich schlagartig, da meine Familie im Haus nebenan wohnte und uns jegliche nur mögliche Hilfe zu Teil werden ließ. Wir freundeten uns damals mit einem blinden Ehepaar an, das ebenfalls in einer Großstadt lebte. Bis dahin gingen die beiden, genau wie wir, mit dem Langstock. Sie hatten gerade ihre Führhunde bekommen, so dass wir einen unmittelbaren Eindruck vom Leben mit einem Führhund bekamen. Mein Mann war sofort begeistert und wollte ebenfalls einen Führhund haben. Zunächst war ich für mich selbst noch nicht so weit. Anscheinend waren meine Erfahrungen mit dem Stock zu diesem Zeitpunkt noch nicht schlimm genug. Ich mochte Hunde zwar von Kindheit an, aber ich war zu dieser Zeit noch nicht so weit, einem Hund die nötige Liebe und Fürsorge geben zu können und zu wollen. Zu der Boxerhündin meiner Tante hatte ich sehr guten Kontakt, so dass ich schon immer einen eigenen Hund haben wollte.
    Damals wäre das natürlich nicht gegangen, da ich während dieser Zeit in Internaten in Hannover und Marburg lebte. Irgendwann war dann der Traum vom eigenen Hund erledigt.


    Im Jahr 1994 wandte sich mein Mann dann an die Führhundschule Dr. Susanne Grünberger, die ihm vom Deutschen Verein für Blindenführhunde und Mobilitätshilfen e. V. (DVBM), empfohlen worden war. Um sich einen Eindruck von uns und den vorhandenen Gegebenheiten zu verschaffen,
    besuchte uns Frau Dr. Grünberger zu Hause. Bei dieser Gelegenheit brachte sie einen Königspudel mit, der noch in der Ausbildung war. Dieses Tier fand ich so toll, dass ich von diesem Zeitpunkt an ebenfalls einen Hund haben wollte. Im Dezember 1994 bekam mein Mann seine Schäferhündin Jessica. Weil ich mich auch für einen Hund entschieden hatte, durfte ich an dem Lehrgang teilnehmen. Bei dieser Gelegenheit lernte ich Pasqua kennen. Sie war damals eine kleine, tollpatschige Hündin, neun Monate alt und am Anfang ihrer Ausbildung. Während mein Mann und Jessica Unterricht hatten, blieb Pasqua bei mir, damit sie nicht allein sein musste. Ich kämmte sie und spielte viel mit ihr. Schon damals freute sie sich immer, wenn sie zu mir kam.

    Im Februar kam Frau Dr. Grünberger zum zweiten Teil der Einweisung zu uns nach Hause. Sie brachte Pasqua zwar mit, meinte aber, dass sie für mich doch nicht so geeignet sein könnte.

    Mein Mann überzeugte Frau Grünberger davon, dass Pasqua und ich doch einen gemeinsamen Probelauf machen sollten. Mir wurde gesagt, dass der Lauf dazu diene, Pasqua einmal mit jemandem laufen zu lassen, der wirklich blind ist. Es ist ein Unterschied, ob der Trainer unter der Augenbinde mit einem Hund läuft, oder ob jemand am Geschirr ist, der wirklich blind ist. Diesen Unterschied stellt der Hund schnell fest.
    Der Probelauf hatte so wunderbar geklappt dass Frau Grünberger entschied, dass Pasqua nun doch mein Führhund werden solle.

    Anfang Juli 1995 war dann die Prüfung durch eine dafür ausgebildete, blinde Prüferin.
    Bei manchen Führhundschulen ist es üblich, dass der Hund vor der Abgabe durch einen blinden Prüfer vom deutschen Verein für Blindenführhunde und Mobilitätshilfen E. V. (DVBM) geprüft wird, damit eventuelle Probleme bis zum Zeitpunkt der Abgabe behoben werden können. Pasqua hat die Prüfung sehr gut bestanden, so dass ich sie Mitte Juli bekam. Nach einem zweiwöchigen Lehrgang, von dem eine Woche in Konstanz, also am Ort der Führhundschule und eine Woche am Wohnort stattfanden, wurden wir auf die Menschheit losgelassen. Weil Pasqua noch sehr jung war, (sie war 16 Monate) gab es natürlich am Anfang das eine oder andere Problem. Wichtig finde ich aber, dass wir alles unbeschadet überstanden haben.

    Am Anfang machte ich mit Pasqua viele Spaziergänge, um unsere Gegend zu erkunden. Das machte mir sehr viel Spaß. Es ist wichtig, dass man sich auf den Strecken, die man mit seinem Führhund geht, gut orientieren kann. Ist das nicht der Fall, so bemerkt man eventuelle Fehler des Hundes nicht. Da der Hund die Umwelt auf seine Weise wahrnimmt, kann es passieren, dass er von sich aus ebenfalls dann und wann das eine oder andere erkunden möchte. So kann es also vorkommen
    , dass der Halter die eine oder andere Überraschung erlebt, obwohl er den Weg kennt. Diesen Aspekt sollte man jedoch nicht negativ sehen. Mein Mann und ich haben dadurch schon viele Abwandlungen uns bekannter Strecken kennen gelernt.
    Durch den Hund wird man um sämtliche Hindernisse herum geführt. Das ist natürlich mit dem Stock nicht der Fall und man muss sich sehr viel stärker konzentrieren. Mit dem Hund bekommt man auch mehr Kontakt zu seinen Mitmenschen, da er, wie ich bereits erwähnte,
    eine Art „Brücke zur sehenden Welt“ darstellt. Ist man mit dem Stock unterwegs, so tun sich die Leute oftmals recht schwer mit uns in Kontakt zu kommen. Frustrierend für uns
    macht sich das dann bemerkbar, wenn wir Hilfe brauchen.

    In vielen Punkten würde ich mir von den Mitmenschen weniger Gedankenlosigkeit wünschen: Der Führhund wird z. B.
    oftmals angesprochen, obwohl ich den Führbügel in der Hand habe. Das hat jedoch ungefähr die gleiche Bedeutung als wenn man einem Autofahrer ins Lenkrad greift, da der Hund durch die Ansprache oder Blickkontakt abgelenkt ist. Das kann oftmals insofern schwere folgen, haben, als dass man dann z. B. vor ein Auto läuft, während man eine Straße überquert, denn der Hund ist auch nur ein Mensch und kann somit seine Augen und Ohren nicht überall haben. Möchte man also das Gespann begrüßen oder den Hund streicheln, so sollte man auf jeden Fall zuerst den Halter ansprechen, weil dieser dann die Möglichkeit hat, anzuhalten und den Führbügel los zu lassen, so dass für ihn keine Gefahr mehr besteht.

    Manchmal werden wir aus Geschäften hinausgeworfen. Per Gesetz und auch nach den Hygienevorschriften dürfen wir zwar hinein, aber der Eigentümer kann Hausrecht geltend machen, wenn ihm das nicht passt.

    Mit Ärzten habe ich bisher positive Erfahrungen gemacht. Ich habe das Glück, dass einige davon selbst Hundehalter sind. Bei manchen Ärzten werde ich so platziert, dass ich mit dem Rest der Patienten nicht in Berührung komme. Das soll mir aber nur Recht sein, denn somit muss ich nicht so lange warten.

    Leider gibt es immer noch genügend Mitmenschen, die
    entweder für unsere Situation im Allgemeinen, oder auch für Hunde kein Verständnis haben.

    Zum Glück lässt sich insgesamt sagen, dass ein Führhund auf jeden Fall eine Bereicherung darstellt. Zumindest für jemanden der Tiere liebt. Gegenüber dem Hund wäre es nicht fair, ihn als Führhund anzuschaffen, wenn diese Liebe nicht uneingeschränkt vorhanden sein sollte. Leider gibt es auch in diesem Punkt nicht so schöne Beispiele:

    Vor vielen Jahren begegnete ich einem Führhundhalter, der auf einen Führhund angewiesen war, da er aufgrund einer zusätzlichen Behinderung
    nicht mit dem Langstock gehen konnte. Er rief seinen Hund nur mit den Worten „Komm Hund“. Der Hund wohnte auch nicht direkt bei ihm im Zimmer, sondern in einer Hundehütte, die sich neben dem Wohnhaus befand. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die beiden ein gutes Gespann bildeten. Meiner Meinung nach ist die Zusammenarbeit von Hund und Mensch umso besser, je mehr sich beide gegenseitig vertrauen, respektieren und vor allem mögen.


    Pasqua musste aus Altersgründen aus dem Dienst ausscheiden und zog Anfang Dezember 2007 in ihr neues Zu Hause zu Katja. Sie fühlte sich auch dort wohl und hat sich gut eingelebt.
    Nach nicht einmal einem Jahr im Ruhestand ist Pasqua am 12. September 2008 von dieser Welt gegangen.

    Ich warte jetzt auf einen neuen Führhund. Ich hoffe, dass es nächstes Jahr klappen wird.


    C. Könneke



    Pasqua, schwarze Labradorhündin von Fr. Könneke, wurde im Dezember 2007 als eine der ersten Hunde in unserem damals gerade gegründeten Verein „Retriever and friends e.V.“ aufgenommen.
    Retriever and friends e.V. bietet ausgedienten und alt gewordenen Therapiehunden wie Pasqua in kompetenten und liebevollen Pflegestellen bei Bedarf Rentenplätzchen an.

    Pasqua hat ein knappes Jahr ihr Rentnerdasein bei ihrem neuen Frauchen Katja genossen, wurde verwöhnt und umsorgt und durfte friedlich über die Regenbogenbrücke gehen, als ihre Zeit gekommen war.


    Katja hat mittlerweile ihren zweiten ehemaligen Blindenführhund aufgenommen,
    Bob, schwarzer Labradorrüde.




    Katja schreibt von ihren Erfahrungen mit diesen beiden Hunden:

    Pasqua als auch Bob lern(t)en beide aufgrund ihrer genossenen Ausbildung zum Blindenführhund sehr schnell, waren/sind sehr freundlich und kontaktfreudig.

    Beide zeigten ein völlig verändertes Verhalten MIT und ohne Leine:
    MIT Leine zeigte ihnen immer noch die „Arbeitssituation“ an, waren sie angeleint, waren sie konzentriert und höchst führig.

    Ohne Leine zeigten sie das Verhalten wie jeder andere normale Hund auch, dann waren sie „im Feierabend“ tobten über Wiesen und Felder und genossen die arbeitsfreie Zeit.

    Beide waren/sind sehr gehorsam in allen Situationen.

    Beeindruckend empfand Katja die Beobachtung, das Pasqua und Bob sehr schnell verstanden haben, dass sie nicht mehr arbeiten müssen und ihr Rentnerleben voll auskosten.
    Keiner der beiden haben angezeigt, das sie arbeiten wollen, müssen... als würden sie beide in der Tat sagen "Arbeit? Das war einmal. Jetzt (!) sind wir pensioniert" und schließen mit dem Kapitel Arbeit ab.


    In der Tat ein guter und verdienter Abschluss eines langen Führhundlebens, nicht wahr?
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